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Wie sich das Reiseverhalten durch Corona dauerhaft verändern könnte

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Unsicher in den neuen Zeiten

Wer hätte das vor einem Jahr gedacht? Tote Flughäfen, Kreuzfahrtschiffe, die lange vor Ablauf ihrer Halbwertszeit verschrottet werden, leere Strandpromenaden und keine Menschenseele an prominenten Touristenzielen wie den Pyramiden von Gizeh oder den Uffizien in Florenz. Der Tourismus ist weltweit praktisch tot. Vereinzelt können noch Nächtigungen verzeichnet werden, kein Vergleich allerdings zu Bildern aus besseren Zeiten. Dachte man vorerst nur an ein halbes Jahr ohne Grenzübertritt, so stellt sich mittlerweile schon die Frage, ob man mittel- bis längerfristig wieder wie gewohnt den Jahresurlaub ein halbes Jahr im Vorhinein planen und buchen kann oder nicht.

Was geht, wenn (fast) nichts mehr geht

Den Trumpf in Händen halten seit Corona die Kurzentschlossenen. Wenn die persönlichen Lebensumstände Flexibilität beim Verreisen erlauben, ist man schon auf der Gewinnerseite unterwegs. Spontan ein paar Tage im In- oder grenznahen Ausland zu verbringen, ist quasi immer irgendwie, irgendwo möglich. Über die aktuellen gesetzlichen Vorschriften in den Nachbarländern sollte man sich vorab rechtzeitig informieren. Länder, die wöchentlich Ausgangszeiten evaluieren und vom Teil-Lockdown in einen expliziten wechseln (müssen), sollten auch für ein verlängertes Wochenende nicht unbedingt angepeilt werden. So schön kann das Hotel dann gar nicht sein, um darin fest zu sitzen. Da empfiehlt sich schon eher, dem geschwächten Inlandstourismus eine Chance zu geben. Wie viele Orte im eigenen Land kennt man gar nicht? Wie viele Berge, Seen und sonstige Naturschauplätze wollte man ohnehin schon immer mal besichtigen? Jetzt ist die Zeit dafür. Alles, was sich im Freien abspielt, kann relativ problemlos immer und überall vonstatten gehen. Über Öffnungszeiten von Wellnessanlagen, Bädern, Freizeitparks, Museen usw. muss man sich direkt vor Ort und am besten in Echtzeit informieren. Der Aktivurlaub bekommt in Corona-Zeiten eine ganz neue Bedeutung: Aktiv Informationen einholen und aufmerksam die Nachrichten verfolgen ist die Freizeit-Challenge Nummer eins dieser Tage.

Flexibilität ist das neue Last-Minute

Gute Reisevoraussetzungen haben derzeit Fans von Motorradtouren und Camping-Liebhaber. Innerhalb der Landesgrenzen einfach drauflos fahren geht noch immer. Eventuell bekommt man unfreiwillige Erinnerungs-Flashbacks an die ersten Interrail-Trips, wo Partydrogen einfacher zu bekommen waren als eine halbwegs vernünftige Unterkunft für die Nacht. Wessen Mindeststandard über die Parkbank im Bahnhofsviertel hinausgeht, sollte vielleicht auf halber Strecke zumindest einen Rundruf bei potenziellen Zimmervermietern oder dem einen oder anderen Campingplatz machen, ob und wie lange geöffnet ist und Betten oder Stellplätze frei sind. Bei schönem Wetter kann das Zelt gerne wieder mit auf Reisen, doch Vorsicht: Wildes Camping ist auch in Corona-Zeiten nicht überall erlaubt und mitunter sogar strafbar.

Flug- und Gruppenreisen – hurra, sie leben noch!

Nicht alle Reisebüros haben bereits die weiße Fahne vor der Pandemie hissen müssen. Gerade kleinere Familienunternehmen, die den Personalbedarf aus den eigenen Reihen abdecken können, haben ihre Chance in der Krise erkannt und bieten weiterhin Flug- und Busreisen für Gruppen und Individualtouristen an. Die Angebote sind stark abhängig von den Einreise-, Quarantäne- und Ausgangsbestimmungen in den jeweiligen Zielländern. Staaten, die bereits den Gesundheitsnotstand und dezidierte Ausgangssperren ausgerufen haben, sollten vermieden werden. Nicht nur, dass sich das Urlaubsfeeling vor Ort in Grenzen halten wird, die eigentliche Frage ist die nach der sicheren und problemlosen Rückkehr in die Heimat. Nicht jede/r kann sich im Anschluss an die Urlaubsreise noch 14 Tage Quarantäne leisten. Darüber hinaus sind die Hygienebestimmungen gerade an Flughäfen ernst zu nehmen. Zusätzlich zu den ohnehin schon zeit- und nervenraubenden Sicherheitsmaßnahmen der letzten Jahre kommen jetzt noch Contact-Tracing, Fiebermessen und umfangreicher Austausch der persönlichen Daten erschwerend hinzu. Wenn man dann endlich mit Maske im Flieger sitzt, gilt es, flach zu atmen und auf Rückenwind zu hoffen. Es wird weder ein Bordservice noch einen netten Plausch mit den Sitznachbarn geben. Die allgemeine Anspannung und die Angst, etwas falsch zu machen, hat der einstigen Leichtigkeit des Reisens den Rang abgelaufen. Ob sich jemals wieder 2000 Passagiere und mehr auf einem Kreuzfahrtschiff tummeln werden, ist aktuell schwer vorstellbar. Auch überfüllte Hotel-Pools, Diskotheken und Bars wecken im Augenblick keine sehnsüchtigen Gefühle nach Freiheit und Unbeschwertheit, sondern lassen uns im Geiste eher nach dem Desinfektionsmittel greifen.

Qualitätstourismus als Weg in die Zukunft

Der Wochenendtrip nach London für 30 Euro (hin und retour, versteht sich) wird wohl für eine lange Zeit der Vergangenheit angehören. Städte wie Venedig und Barcelona mögen die Einnahmen vermissen, die Massen an Touristen, die unzählige Kreuzfahrtschiffe täglich über die engen Gassen gespült haben, eher weniger. Tourismus-Hotspots befinden sich aktuell in einer noch nie dagewesenen Zwickmühle, in der die wiedergewonnene Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung auf der einen Seite im starken Kontrast zu den toten Hotellerie- und Gastronomiebetrieben auf der anderen stehen. Was allerdings nützt das den Menschen vor Ort, wenn ihnen die Haupteinnahmequelle abhanden gekommen ist? Gerade der Städtetourismus hat oft kaum Konkurrenz am Arbeitsmarkt. Der Weg aus diesem Dilemma kann in Zukunft nur mehr „Qualität statt Quantität“ heißen.

Rettungsanker Nischen-Tourismus

Seitdem Nachhaltigkeit als Themenschwerpunkt auch den Tourismus erreicht hat, gibt es bereits viele Leuchtturm-Projekte, die der schwer geschädigten Tourismusindustrie den Weg in die Zukunft weisen könnten. Das Reisen wird weniger werden, soviel steht fest. Doch gerade hier lauert die Chance für findige Touristiker, neue Kunden ins Land und ins Hotel zu bringen. Angebote, die auf besondere Zielgruppen ausgerichtet sind, könnten vermehrt zum Zug kommen: Was vor geraumer Zeit schon mit Urlaub auf dem Bauernhof begonnen hat, bietet für Familienhotels noch ausbaufähige Modelle für künftige Saisonen. Mensch und Hund gemeinsam im Urlaub ist auch keine ganz neue Erfindung mehr. Trotzdem boomten vor Corona schon Hotels, die den vierbeinigen besten Freund des Menschen in den Fokus ihrer Dienstleistungen rückten. Der Trend zum Haustier wurde durch die Pandemie eindeutig verstärkt. Diese wollen – so weit möglich – nach dem Lockdown auch gerne mit in den Urlaub reisen. Senioren als Klientel mit Zahlungs- und Freizeitpotenzial hingegen sind noch viel zu selten die Zielgruppe von Hotels abseits von Abano und Eastbourne. Ein qualitätvoll ausgerichtetes Rahmenprogramm für die Zielgruppe jenseits der Erwerbstätigkeit könnte so manchem Mittelklassehotel mühsame und kostspielige Renovierungsarbeiten in Richtung High-Tech-Immobilie ersparen. Lichtschalter und Armaturen im Badezimmer, die klar als solche erkennbar sind, müssten für diese Zielgruppe nicht extra getauscht werden. Barrierefreie Zugänge und Zimmer, die ausreichend Platz für Rollstuhl und Gehhilfe bieten, wären völlig ausreichend. Als Freizeitaktivitäten könnten Pilates, Yoga und Kochkurse, aber auch Vorträge über lokale Sehenswürdigkeiten und Persönlichkeiten einen zusätzlichen Anreiz bieten. Alles nichts Neues im Prinzip, aber in Zukunft vielleicht kein schlechter Bonus. Singles auf Reisen stellen ein ähnliches Potenzial wie die Senioren dar. Geld und Zeit vorhanden, Kinder und andere Lärmquellen im Urlaub eher unerwünscht. Dafür darf es hier gerne ein Seminar-Angebot vor Ort sein, das sich von der herkömmlichen Wellness-Schiene klar unterscheidet: Gourmetreisen, Weinseminare, Kochen nach den 5 Elementen, Angebote in Richtung Spiritualität und Meditation könnten leere Bettenburgen wieder mit neuem Leben füllen. Die Zukunft des Reisens wird individuell.

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit

Die Pauschal-Boomer der letzten Jahre und Jahrzehnte sind vermutlich für sehr lange Zeit, wenn nicht für immer, vorbei. Tourismus als Massenphänomen hat ausgedient, Klasse statt Masse wird in Zukunft den Weg in ferne Länder weisen. Überleben werden auch hier wie schon so oft in der Geschichte der Menschheit diejenigen, die sich anzupassen wissen. Möge die Übung gelingen!

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